Ende Juni 2022 fällten die Umweltminister*innen der EU eine folgenschwere Entscheidung, die in der Automobilbranche für einiges Kopfzerbrechen und Kopfschütteln sorgte. Es war nicht weniger als das Aus für den Verbrennungsmotor – mit weitreichenden Folgen für Automobilhersteller, Automobilzulieferer, aber eben auch für den Aftermarket und nicht zuletzt für die Kfz-Werkstätten. Doch zumindest für E-Fuels gab es kurz darauf gute Neuigkeiten – und damit für den Verbrennungsmotor.
Nach 16 Stunden Verhandlungen fiel der Hammer: Die Umweltministerinnen und -minister der EU präsentierten eine folgenschwere Entscheidung: Von 2035 an sollen nur noch klimaneutrale Neuwagen verkauft werden. Das „Defacto-Aus“ für den Verbrennungsmotor. Oder doch nicht?
Retten E-Fuels den Verbrennungsmotor?
Denn viele Experten*innen hatten darauf hin – einmal mehr – protestiert und mehr Technologie-Offenheit gefordert. Mit Erfolg, zumindest in Deutschland und zumindest für die klimaneutralen synthetischen Kraftstoffe mit der klingenden Bezeichnung „E-Fuels“: Vor allem die FDP hatte große Bedenken, dem Verbrenner-Aus zuzustimmen und gefordert, dass nach 2035 auch Verbrenner-Autos zugelassen werden können, die mit E-Fuels fahren. Die Folge: In ihrem Koalitionsvertrag hielten SPD, Grüne und FDP fest, dass sich die Regierung trotz eines geplanten Neuzulassungsverbots für Verbrenner ab 2035 weiter für E-Fuels einsetzen will.
Warum E-Fuels für Autofahrer*innen und die Industrie so wichtig sein könnten? Ganz klar: Der mechanische Antriebsstrang, der bei reinen Elektroautos komplett wegfällt, würde erhalten bleiben. Mit weit reichenden Konsequenzen: Der massenhafte Verlust von Arbeitsplätzen in der – zumindest in Deutschland konservativ geprägten - Autoindustrie könnte zumindest teilweise abgewendet werden. Eine Beibehaltung des mechanischen Antriebsstrangs würden wohl auch die Kfz-Werkstätten begrüßen. Schließlich sind die Arbeits- und somit Umsatzvolumina bei E-Autos im Service deutlich geringer. Mit E-Fuels würden Betriebe den Einnahmenverlust zumindest teilweise kompensieren.
Für Porsche bleibt ein emotionaler Verbrenner-Sound existenziell
Zwar sind die synthetischen Kraftstoffe noch nicht massentauglich und dem Elektroauto unterlegen, wenn es um den Wirkungsgrad und die CO2-Bilanz geht. Doch die Industrie scheint die Forschung noch einmal zu intensivieren. Zum Beispiel bei Porsche: Zwar setzt der Sportwagen-Bauer auch auf elektrifizierte Modelle und will bis 2030 80% seiner Autos mit einem E-Antrieb ausstatten. Allerdings glaubt das Unternehmen „weiter an den Dreiklang aus klassischen Verbrennern, Plug-in-Hybriden und reinen Elektroautos wie dem Taycan“, wie Porsche-Entwicklungsvorstand Michael Steiner kürzlich bestätigte. Und speziell im 911 möchte Porsche natürlich weiterhin einen emotionalen Verbrenner-Sound anbieten.
Gemeinsam mit Siemens Energy baut Porsche deshalb ein Werk zur Herstellung von E-Fuels in Chile: „In Patagonien entsteht eine Pilotanlage, die in diesem Jahr rund 130.000 Liter E-Fuels erzeugen soll“, berichtet der Verein Deutscher Ingenieure (VDI) auf seiner Webseite. Und weiter: „Die Pläne sind ehrgeizig: In zwei Stufen soll die Kapazität bis 2024 auf rund 55 Millionen Liter, und bis 2026 auf rund 550 Millionen Liter erweitert werden.
Neues E-Fuels-Projekt des ZDK und des ADAC
An einem anderen spannenden Projekt arbeitet aktuell der Zentralverband Deutsches Kraftfahrzeuggewerbe (ZDK), der ADAC sowie der Bundesverband mittelständischer Mineralölunternehmen (UNITI). Im Gemeinschaftsprojekt „E-Fuels for Future“ wird ein gebrauchter und technisch unveränderter Golf VII mit E-Fuels betankt und auf Herz und Nieren getestet. Dabei werden bei einem Abgastest im ADAC Technik Zentrum Landsberg auch die Emissions- und Verbrauchswerte des Golfs mit E-Fuels sowie mit fossilem Kraftstoff ermittelt und verglichen.
„Wir müssen technologieoffen sein und uns den neuen Herausforderungen der Mobilität stellen. E-Fuels sind dafür ein wichtiger Baustein“, erklärt Bundesinnungsmeister Detlef Peter Grün. „Neben der Elektromobilität sind E-Fuels eine sehr gute Möglichkeit die CO₂-Emissionen im Straßenverkehr zu senken“, ergänzt Werner Steber, ZDK-Geschäftsführer Werkstätten und Technik. Mit dem Projekt wolle man zeigen, dass der Einsatz von synthetischen Kraftstoffen in Autotanks problemlos möglich sei und es keine negativen Auswirkungen auf die Fahr- oder Motorleistung gebe.
Der Verbrennungsmotor könnte uns also langfristig erhalten bleiben. Dank E-Fuels.