Die Reifen der Zukunft sind nachhaltig

26. Jun 2022 | Branche + Mehr

Die Reifenhersteller arbeiten unter Hochdruck am nachhaltigen Reifen – auch weil die Gesetzgebung Druck macht. Was einen nachhaltigen Reifen ausmacht und was die Hersteller dafür tun, klären wir für euch in diesem Artikel.

Nachhaltige Reifen - da stellt sich natürlich erst einmal die Frage, was Nachhaltigkeit überhaupt ist und wie sie auf den Reifen bezogen werden kann. Die Definition von Nachhaltigkeit umfasst insbesondere den schonenden Umgang mit natürlichen Ressourcen. Ein nachhaltiger Reifen besteht also unter anderem bestenfalls aus nachwachsenden oder recycelten Rohstoffen, wird ohne allzu großen Einsatz von Energie produziert und möglichst lange ohne seiner Umwelt zu schaden genutzt.

Reifen werden zu früh aussortiert

Ziele, die auch von der Politik verfolgt werden. Einen großen Einfluss auf die Reifenentwicklung übt deshalb die Europäische Union aus – unter anderem mit der Einführung des EU-Reifenlabels 2012 und dessen Aktualisierung zum 1. Mai 2021: Reifen sollen helfen, den CO2-Ausstoß zu reduzieren, sollen leiser und vor allem nachhaltiger produziert werden. Ab dem 1. Juli 2024 gelten neue Geräusch-Grenzwerte. Und wie die Fachzeitung Automobilwocheberichtet, sind weitere Regulierungen bereits in der Pipeline, „die den gesamten Lebenszyklus des Reifens in den Blick nehmen“.

Ein großes Problem: Noch immer werden zu viele Reifen zu früh, oftmals deutlich vor Erreichen der gesetzlich vorgeschriebenen Mindestprofitiefe von 1,6 Millimetern, aussortiert und durch neue ersetzt. Oftmals ist die Befürchtung einer abnehmenden Sicherheit die Ursache.

Trockene Bedingungen sind dabei nicht die Herausforderung: Ein – im Rahmen - abgefahrener Reifen bietet im Trockenen tatsächlich mehr Grip als ein neuer. Das Bremsverhalten auf trockener Straße verbessert sich mit zunehmender Laufleistung, die Bremswege werden kürzer. Ebenso verringern sich der Rollwiderstand und der dadurch notwendige Kraftstoffbedarf. Die größte Gefahr liegt bei abnehmenden Profil an der ebenfalls abnehmenden Haftung des Reifens bei Nässe. „Bereits bei einer Profiltiefe von 4 mm nimmt die Haftung des Reifens (…) bei Nässe deutlich ab“, warnte vor nicht allzu langer Zeit noch der ADAC. Hintergrund: Die Reifen können den Wasserfilm irgendwann nicht mehr verdrängen. Sie verlieren den Kontakt zur Straße.

Neue Entwicklungsschwerpunkte

„Wir unterstützen das Vorgehen nicht, Reifen bereits bei 3 oder 4 Millimetern Profiltiefe gegen ein brandneues Produkt zu tauschen“, positionierte sich Michelin bereits 2018. Und legte neue Entwicklungsschwerpunkte auf hohe Laufleistungen bei ebenfalls hoher Nässe-Performance auch bei abgefahrenem Profil.

Viele Hersteller haben nachgezogen und arbeiten an Reifen, die noch länger halten und bei abnehmender Profiltiefe weiterhin funktionieren. Mario Calvitti von Hankook, verriet gegenüber der Automobilwoche, dass der Reifenhersteller mit neuen Laufstreifenmischungen arbeitet, „die besonders abriebfest und konstant in ihrer Performance sind.“ Das erklärte Ziel: Die Reifen sollen möglichst lange, bestenfalls bis zum Erreichen der Verschleißgrenze von 1,6 Millimetern gefahren werden.

Reifen aus Löwenzahn und PET-Flaschen?

Und auch die Reifenproduktion wird sich weiter verändern, drastisch, muss man sagen. Goodyear etwa präsentierte Anfang des Jahres einen Konzeptreifen, der zu 70 Prozent aus nachhaltigen Materialien gefertigt wird. Continental möchte schon bald das bei der Reifenproduktion benötigte Polyester aus recycelten PET-Flaschen nutzen. In etwas fernerer Zukunft soll außerdem Naturkautschuk genutzt werden, der aus Löwenzahn gewonnen wird.

Doch wann wird ein Reifen wirklich zu 100 Prozent nachhaltig sein? Continental und Michelin haben die Antworten. Beide wollen ihre Reifen bis 2050 vollständig aus biologisch erzeugten oder recycelten Materialien herstellen. Bei Continental sollen die Reifenwerke bis 2040 klimaneutral arbeiten, bei Michelin sollen die Fabriken bis 2050 CO2-neutral sein.