Aktuell scheint es in der Automobilindustrie ziemlich angesagt zu sein, sich vom Verbrennungsmotor zu verabschieden. Kaum ein Tag vergeht, an dem nicht irgendein Automobilhersteller verkündet, keine Verbrennungsmotoren mehr entwickeln zu wollen.
Volvo und Volkswagen waren die ersten, die ankündigten, voll und ganz auf die Elektrifizierung zu setzen. Sie setzten eine Lawine in Gang, die etwas Anlauf brauchte, jetzt aber die komplette Industrie erreicht zu haben scheint.
Es folgten unter anderem Daimler und GM, die den Abschied vom Verbrennungsmotor verkündeten. Auch BMW will stärker auf die E-Mobilität setzen und kündigte Ende 2020 an, dass in Deutschland ab 2024 keine Verbrenner mehr produziert werden sollen.
Vor wenigen Wochen machten dann Ford und Jaguar Schlagzeilen: Ford will seine europäische Pkw-Palette innerhalb der nächsten zehn Jahre auf reinen E-Antrieb umstellen, Jaguar ab 2025 nur noch Elektroautos bauen.
Und selbst an den Sportwagen-Herstellern scheint der Hype nicht vorbeizugehen: Bentley etwa will ab 2030 nur noch Elektroautos auf den Markt bringen - der erste rein elektrische Bentley soll 2025 kommen. Und die französische Marke Alpine, die jüngst sämtliche Sportprogramme von Renault übertragen bekommen hat, soll in Zukunft Spezialist für elektrische Sportwagen werden.
Euro 7 – Maßnahme mit „geringem Nutzen“
Zuletzt kündigte Audi den Abschied vom Verbrenner an – nicht ohne Tacheles zu reden. Die EU-Pläne für eine noch strengere Abgasnorm Euro 7 seien „technisch eine riesige Herausforderung bei gleichzeitig geringem Nutzen für die Umwelt. Das schränkt den Verbrennungsmotor extrem ein“, so Audi-Chef Markus Duesmann. "Wir werden keinen neuen Verbrennungsmotor mehr entwickeln, sondern unsere bestehenden Verbrennungsmotoren an neue Emissionsrichtlinien anpassen."
Die Politik lässt den Automobilherstellern scheinbar keine andere Wahl. Die neue Euro-7-Abgasnorm könnte ab 2025 kommen und wird die Schadstoffe, die ein Fahrzeug emittieren darf, drastisch reduzieren. Zudem planen immer mehr Länder Verbote von Verbrennungsmotoren. Großbritannien zum Beispiel will, dass Verbrennungsmotoren ab 2030 nicht mehr neu zugelassen werden dürfen. Das gleiche Ziel verfolgen Dänemark, Irland, die Niederlande, Slowenien und Schweden. In Norwegen sollen Benziner und Diesel bereits 2025 verboten werden.
„Emissionsgrenzwerte sollten sich auch am technisch Möglichen orientieren“
Ob das rigorose Aus des Verbrennungsmotors – egal ob unmittelbar durch Verbote oder indirekt durch neue Abgasnormen - aus umweltpolitischer Sicht wirklich sinnvoll ist? Nicht nur Audi-Chef Duesmann bezweifelt das, wenn er den „geringen Nutzen“ der Maßnahmen kritisiert. Auch der ADAC positioniert sich eindeutig: „Emissionsgrenzwerte sollten sich auch am technisch Möglichen orientieren und den Verbrennungsmotor nicht ins Aus manövrieren.“
Der Automobilclub verweist dabei auf die Entwicklungen der letzten Jahrzehnte, die einen deutlichen Rückgang der Emissionen des Straßenverkehrs sowie der Schadstoffkonzentration in den Städten bei Feinstaub und bei Stickoxiden zeigten. „Die EU-Kommission hat bisher keine Grundlagen veröffentlicht, die eine extreme Absenkung einiger Schadstoffe bei allen Neufahrzeugen begründen“, so der ADAC.
Retten E-Fuels den Verbrennungsmotor?
Auch der „Zentralverband Deutsches Kraftfahrzeuggewerbe“ kritisiert die politischen Pläne, den Verbrenner aus dem Straßenverkehr zu verbannen und allein auf elektrische Antriebe zu setzen. Gemeinsam mit zwölf anderen Verbänden, darunter der ADAC, der VDA (Verband Deutsche Automobilindustrie) und der VDMA (Verband Deutscher Maschinen- und Anlagenbau), sprach sich der ZDK im Februar 2021 in einem Brief an verschiedene Politiker dafür aus, die Treibhausgasemissionen im Verkehr weiter zu senken. Um das zu erreichen, müssten E-Fuels als alternative Kraftstoffe auf den Weg gebracht werden.
Zwar können diese Kraftstoffe, die mit herkömmlichen Verbrennungsmotoren genutzt werden können, schon heute produziert werden. Ihre Produktion ist allerdings noch sehr teuer und auch der Wirkungsgrad lässt zurzeit durchaus zu wünschen übrig. Zudem fehlen in den meisten Ländern regenerative Energiequellen und die Kapazitäten, um E-Fuels für einen Massenmarkt zu produzieren. Doch das Potenzial ist riesig. Zumindest dann, wenn Politik und Wirtschaft wirklich daran gelegen ist, die Emissionen im Straßenverkehr zu reduzieren.
Politik ignoriert den Fahrzeugbestand
Warum E-Fuels durchaus eine Berechtigung haben, dafür lohnt ein Blick in die Statistiken des Kraftfahrtbundesamtes: In Deutschland sind aktuell rund 67 Millionen Kfz auf den Straßen unterwegs, davon weit über 66 (!) Millionen mit Benzin- oder Dieselmotor. Sie werden nicht von heute auf morgen verschwinden. Schließlich wird der Durschschnitts-Pkw in Deutschland knapp 10 Jahre lang gefahren.
ADAC Technikpräsident Karsten Schulze: „Millionen Verbrenner sind auf deutschen Straßen unterwegs und haben noch eine lange Lebensdauer vor sich. Wenn die Klimaschutzziele im Verkehr erreicht werden sollen, braucht es eine Lösung für diesen Bestand." Das sieht immerhin auch das deutsche Verkehrsministerium so: Im Januar 2021 kündigte es ein Förderprogramm für erneuerbare Kraftstoffe, für das bis 2024 rund 1,54 Mrd. Euro zur Verfügung stehen sollen. Immerhin. Ob E-Fuels den Verbrennungsmotor retten können, steht dennoch in den Sternen.