Interview: Wie freie Kfz-Werkstätten die Corona-Krise meistern

30. Apr 2020 | Branche + Mehr

Die ganze Welt befindet sich wegen der Corona-Krise im Ausnahmezustand. Besonders hart trifft es gerade in Deutschland die Kfz-Branche. Wir haben uns gefragt, wie freie Werkstätten die Corona-Krise meistern und mit welchen Problemen sie zu kämpfen haben. Die Mitglieder des Herth+Buss Werkstattbeirates haben uns einen spannenden Einblick in ihre Betriebe gewährt und uns ihre Tipps und Tricks verraten.

Als wir den Herth+Buss Werkstattbeirat 2018 gründeten, war es unser Ziel, Werkstätten noch besser zu verstehen, Probleme zu erkennen und zusammen Lösungen zu entwickeln. Seitdem stehen wir in engem und regelmäßigem Austausch mit den fünf Mitgliedern des Beirates.

  • Martin Kolmer betreibt in Hüttenberg einen Meisterbetrieb mit insgesamt elf Mitarbeitern.
  • Roland Riedelbauch hat sich mit seiner in Weißenstadt ansässigen Werkstatt unter anderem auf Autogasumrüstungen spezialisiert.
  • Sascha Hölzinger betreut seine Kunden mit vier Mitarbeitern in Wächtersbach und hat seinen Betrieb im letzten Jahr deutlich ausgebaut.
  • Michael Kritter bietet als Bosch Service Partner in Worms mit seinen vier Mitarbeitern Serviceleistungen für alle Marken.
  • Daniel Urban hat sich mit seinem Team vor allem auf den Fahrzeugbau spezialisiert.

Im Interview haben uns die fünf erzählt, wie sie die Krise meistern.

Wie hart hat euch die Corona-Krise bislang getroffen? Mit welchen Problemen habt ihr zu kämpfen?

» Michael Kritter:
Bei uns fehlen 50 Prozent unseres Umsatzes und damit auch 50 Prozent unserer Kunden. Wer aktuell zu uns kommt, lässt meist nur das Notwendigste machen, zum Beispiel Reifenwechsel.

» Martin Kolmer:
Wir hatten vom 23.3. bis zum 4.4. Kurzarbeit angemeldet. Die Auslastung war jedoch so hoch, dass wir seit dem 6.4. wieder Vollzeit arbeiten. Derzeit haben wir keinerlei Nachteile durch die Krise.

» Daniel Urban:
In den ersten Wochen der Krise ist im PKW-Bereich ein drastischer Umsatzrückgang zu spüren. Die Privatkunden sind noch sehr zurückhaltend. Außerdem wurden einige Aufträge nach hinten verschoben, da Fahrzeuge nicht ausgeliefert wurden.

» Roland Riedelbach:
Wir haben einen Umsatzeinbruch bei Brot- und Butterarbeiten, also Service, Bremsen usw. Außerdem hatten leider einige Großhändler Lieferprobleme.

» Sascha Hölzinger:
Durch die Corona-Krise ist unsere Arbeit momentan nicht eingeschränkt, eher im Gegenteil: Da vermutlich viele Kunden bedingt durch Home-Office und Kurzarbeit einfach mehr Zeit haben und unsere Werkstatt aufsuchen. Weiterhin scheint uns das schöne Wetter gut in die Karten zu spielen, denn sehr viele Kunden kommen aktuell zum Reifenwechsel.

Halten euch die Kunden die Treue? Und wie wichtig ist die Kommunikation mit euren Kunden?

» Sascha Hölzinger:
Unsere Bestandskunden halten uns die Treue und wir haben bis jetzt auch noch keine Absagen von Kunden bekommen, dass Sie auf Grund der aktuellen Schutzmaßnahmen Ihren Termin nicht wahrnehmen wollen. Gefühlt haben wir aktuell sogar mehr Neukunden, was vielleicht mit Kurzarbeit von anderen Werkstätten im Zusammenhang gebracht werden könnte, da wir wie gewohnt geöffnet haben.

» Daniel Urban:
Auch unsere Kunden halten uns die Treue. Wir kommunizieren hauptsächlich per Telefon oder Mail, vereinzelt auch über Facebook.

» Martin Kolmer:
Wir kommunizieren über Whatsapp, SMS und natürlich Telefon. Der Kontakt ist hervorragend. Durch die oftmals angeordnete Kurzarbeit der Industriebetriebe erreichen wir in kurzer Zeit die meisten unserer Kunden.

Habt ihr spezielle Maßnahmen umgesetzt, um eure Kunden trotz Corona in die Werkstatt zu locken? Seid ihr kreativ geworden?

» Roland Riedelbauch:
Wir arbeiten mit einem Hol- und Bring-Service für bestimmte Kundengruppen, zum Beispiel ältere Kunden. Zudem haben wir eine Schlüsselbox für die Fahrzeugübergabe. Alle Erklärungen zur Reparatur erfolgen vorher am Telefon.

» Martin Kolmer:
Wir haben auf unserer Facebook-Seite und auf unserer Webseite Hinweise auf die bestehende Erreichbarkeit unser Betriebes gepostet. Auch auf der Straße stehen Hinweisschilder.

Habt ihr generell Tipps, um die Krise bestmöglich zu überstehen?

» Roland Riedelbauch:
Unser Motto: Ruhe bewahren, vernünftig weiterarbeiten und keine Hysterie aufkommen lassen. Ganz wichtig natürlich: Auf Abstand mit allen gehen und auf Hygiene achten. Aber in der Werkstatt ist man ja sowieso immer am Händewaschen.

» Martin Kolmer:
Wichtig ist es, jetzt den Kopf nicht hängen zu lassen und sich bietende Möglichkeiten zu nutzen: Anzeigen in der Zeitung schalten, Facebook und die Webseite zur Kundenkommunikation nutzen.

Welche Schutzmaßnahmen habt ihr getroffen, um mögliche Infektionen zu vermeiden?

» Daniel Urban:
Wir arbeiten vermehrt mit Handschuhen und desinfizieren natürlich mehrfach täglich z. B. Türklinken usw. Außerdem haben wir eine Plexiglasscheibe als Nies- und Hustenschutz  im Kundenbereich montiert.

» Sascha Hölzinger:
Aktuell lassen wir das Büro nur von einer Person zur gleichen Zeit betreten und säubern Oberflächen mit Desinfektionsmittel.

» Roland Riedelbauch:
Wir achten auf einen Abstand zu Kunden, zum Beispiel bei der Schlüsselübergabe, indem wir mit einer Schlüsselbox bzw. einer Übergabe mit genügend Abstand arbeiten. Oberflächen wie Lenkrad, Griffe usw. desinfizieren wir mit Bremsenreiniger, davon ist genügend vorhanden. Und natürlich achten wir auch auf den Abstand unserer Mitarbeiter. So hat jeder seine eigene Kaffeemaschine und Hygieneartikel, wie Handtücher, Spender usw.

Wie ist die Stimmung bei euch im Betrieb?

» Sascha Hölzinger:
Da wir uns glücklich schätzen können, nicht von Kurzarbeit betroffen zu sein, ist unsere Stimmung allgemein sehr gut und unsere Arbeitsmoral auch hoch.

» Martin Kolmer:
Bestens. Morgen grillen wir gemeinsam, aber natürlich mit angemessenem Abstand.

» Roland Riedelbauch:
Bei uns ist alles in Ordnung. Wir nehmen die Situation mit Galgenhumor.

» Daniel Urban:
Gut, wie immer.

Wir freuen uns sehr für unseren Werkstattbeirat, dass es aller Widrigkeiten gut für sie läuft. Anstatt den Kopf in den Sand zu stecken, machen alle das Beste aus der ganzen Situation. Mit Zuversicht blicken unsere Kfz-Profis in die Zukunft. Und das Beste ist: Die Stimmung ist nach wie vor positiv und alle sind gesund!
Wir wünschen den Kollegen weiterhin alles Gute, rege Kundschaft und vor allem natürlich, dass Sie gesund bleiben.

Helft mit und unterstützt weiterhin eure freien Werkstätten und bleibt gesund!