Seit Mai 2019 wundern sich Autofahrer über eine fünf Kilometer lange Installation von Hochspannungsleitungen mitten auf der Autobahn A5. Was ein wenig wie Science Fiction anmutet, ist ein Modellversuch, dessen Kosten von 14,6 Millionen Euro das Bundesumweltministerium trägt. Hier, auf der gut zwei Mal fünf Kilometer langen Erprobungsstrecke zwischen Langen/Mörfelden und Weiterstadt, können Hybrid-LKWs mit Strom aus der Oberleitung ihre Akkus für das Hybrid-System aufladen.
Wie das Ganze funktioniert und was in Zukunft in Sachen E-Mobilität im Güterverkehr geplant ist, erklären wir in unserem Artikel.
So kommen die Hybrid-LKWs an den Strom
Bereits seit mehr als zwei Monaten rollen die Oberleitungs-LKWs Scania R 450 Hybrid aus dem Odenwald in Richtung Frankfurt/Main-Ost über den eHighway auf der A5. Auf Deutschlands erster Teststrecke für elektro-unterstützenden Schwerlastverkehr wird derzeit der oberleitungsgebundene, elektrische Betrieb von schweren Nutzfahrzeugen unter realen Bedingungen getestet und ausgewertet. Die eingesetzten LKWs docken dabei mit ihren Stromabnehmern auf dem Dach an die eingerichteten Oberleitungen an. So können sie ihre Batterien aufladen.
Ersten Auswertungen zufolge konnten die eingesetzten Hybrid-LKWs Kraftstoffeinsparungen an Diesel von immerhin circa 10 Prozent verzeichnen. Möglich macht das der Hybridantrieb des LKWs, dessen E-Motor 177 PS und 1.050 Nm maximalen Drehmoment leistet. Als Stromspeicher dient eine Lithium-Ionen-Batterie. Sie hat eine Kapazität von 18,5 kWh, die eine rein elektrische Reichweite zwischen 10 und 15 Kilometern ermöglichen soll. Wenn der Strom aus den Batterien dann nicht mehr reicht, springt ein 450 PS starker 13-Liter-Reihensechszylinder-Dieselmotor an.
Warum gerade auf der A5?
Bei dem gewählten Abschnitt, bei dem je fünf Kilometer in beide Richtungen mit Oberleitungen versehen wurden, handelt es sich um einen der deutschlandweit am stärksten befahrenen Straßenabschnitte. Er wird pro Tag von circa 130.000 Fahrzeugen befahren, von denen 10 Prozent Lastwagen sind. Warum ausgerechnet auf einem Autobahnabschnitt mit derart hohem Verkehrsaufkommen getestet wird, ist klar. Unter anderem soll geprüft werden, ob und inwieweit der Verkehr beeinflusst wird und ob Rettungsdienste im Einsatz beeinträchtigt werden.
Jens Deutschendorf, Staatssekretär im hessischen Verkehrsministerium, ist von dem Projekt mit dem klingenden Namen „Elisa“ (Kurzform für elektrifizierter, innovativer Schwerverkehr auf Autobahnen) durchaus überzeugt: „Wenn das Oberleitungssystem hier funktioniert, dann funktioniert es überall.“
Weitere Strecken in Planung
Bis 2022 stehen nach der Anfangsinvestition für das Projekt auf der A5 weitere 15 Millionen Euro zur Verfügung. Damit sammelt man alle relevanten Daten und wertet diese aus. Aber es soll nicht bei dieser einen Versuchsstrecke bleiben. Auf der A1 in Schleswig-Holstein soll auf knapp 25 Kilometern rund um Lübeck getestet werden, wie das System mit einer Anbindung an einen Hafen funktionieren würde. Und in Baden-Württemberg möchte man auf der Bundesstraße B 462 bei Rastatt die Systemtauglichkeit für Ortsdurchfahrten testen.
Welche Herausforderungen stellt die Entwicklung der E-Mobilität nun an den freien Teilemarkt?
Sollte sich herausstellen, dass Hybrid-LKWs nicht nur mit dem herkömmlichen Autobahnverkehr kompatibel, sondern für Speditionen auch wirtschaftlich sind, dürften die verschiedenen Modellprojekte Schule machen. Dann könnten die Oberleitungs-LKWs womöglich zu einem Durchbruch der Elektromobilität auch im Nutzfahrzeugbereich beitragen.
Und ein solcher würde sich auch auf den Aftermarket und das Werkstattgeschäft auswirken: Die Herausforderungen, vor denen die Zulieferer und Teileproduzenten, aber auch Werkstätten hier stehen, sind vielfältig. Auf der einen Seite konnten sich einige Zulieferer eine gute Ausgangsposition erarbeiten, indem sie zu E-Systemanbietern wurden und E-Motor, die Akkupacks sowie die Steuerung in einem System vereinen. Gleichzeitig fallen bei E-LKW und -PKW viele Komponenten weg, die bei Fahrzeugen mit herkömmlichem Verbrennungsmotor benötigt werden.
Experten rechnen deshalb mit weniger Arbeit in den KFZ- und LKW-Werkstätten und mit sinkenden Umsätzen – weisen jedoch auch darauf hin, dass etwa mit der Kontrolle der Leistungselektronik oder dem Austausch von Kühlmittel in Kühlkreisläufen neue Arbeiten auf die Werkstätten zukommen. Im Falle der Hybrid-LKWs würden unter anderem auch Arbeiten im Bereich der Stromabnehmer dazu kommen.
Mit der Elektromobilität bieten sich im Aftermarket also nicht nur Risiken, sondern auch Chancen. Zumindest für die Unternehmen, die sich neuen Technologien aufgeschlossen zeigen. Ob das unbedingt Hybrid-LKWs sein müssen, wird die Zukunft zeigen.