Für viele freie Kfz-Werkstätten ist das Leben zuletzt nicht einfacher geworden. Umweltprämien, E-Mobilität und immer weiter steigende Anforderungen in Sachen Werkstattausstattung und Weiterbildung sorgen seit Jahren für höhere Kosten und tendenziell geringere Umsätze. Die Lieferengpässe von Neuwagen bringen jetzt – und in Zukunft – jedoch vielerorts Entlastung.
Mit der sogenannten „Abwrackprämie“ fing das Dilemma 2009 an. Die staatliche Maßnahme versprach unter bestimmten Voraussetzungen eine Prämie in Höhe von 2.500 Euro für Kfz-Besitzer*innen, die ihr Auto verschrotten ließen, um einen Neuwagen zu erwerben. Weil Fahrer*innen von Neuwagen bekanntermaßen in der Regel Servicearbeiten und Reparaturen in der Vertragswerkstatt machen lassen, generierten freie Kfz-Betriebe weniger Umsatz.
Die neue E-Auto-Prämie macht es aktuell nicht einfacher. Im Gegenteil: Der Run auf Hybride und vollelektrische Pkw trifft die Werkstätten gleich doppelt und noch nachhaltiger als die „Abwrackprämie“. Viele Fahrer*innen von älteren Autos wechseln auf elektrifizierte Neuwagen. Und weil die Wartungskosten von E-Autos deutlich unter denen mit konventionellem Antrieb liegen, werden auch langfristig Umsätze wegbrechen.
Doch für freie Kfz-Werkstätten gibt es nun auch gute Nachrichten. Wegen des weltweiten Chipmangels müssen Neuwagen-Käufer*innen aktuell teilweise extreme Wartezeiten hinnehmen. Nicht wenige Neuwagen haben aktuell eine Lieferzeit von rund 12 Monaten.
Gebrauchtwagen-Boom sorgt für höhere Umsätze in den Kfz-Werkstätten
Was schlecht für die Automobilhersteller, Neuwagen-Händler und Käuferinnen und Käufer von Neuwagen ist, ist eine gute Nachricht für Gebrauchtwagen-Händler und freie Kfz-Werkstätten. Denn angesichts der langen Wartezeiten weichen viele Autofahrerinnen und -fahrer auf Gebrauchtwagen aus. Der Neuwagen-Handel schaute vielfach in die Röhre und musste ein heftiges Minus hinnehmen: 2021 wurden rund ein Viertel weniger Neuwagen verkauft als vor Corona. Ganz anders im Gebrauchtwagenhandel: Autohändler sprechen bereits von einem Gebrauchtwagen-Boom.
Die Folge: Das durchschnittliche Fahrzeugalter des gesamten Fahrzeugbestandes wird weiter steigen. Schon heute liegt es bei 10 Jahren im Schnitt, der Trend zeigt weiter nach oben. Das ist erfreulich für den Independent Aftermarket. Denn je älter das Fahrzeug, desto seltener wird die Vertragswerkstatt angesteuert und desto mehr Umsätze können freie Betriebe an Verschleiß und Reparaturen machen. Lieferengpässe für Ersatzteile, von denen hin und wieder die Rede ist, können viele Werkstattinhaber*innen nicht bestätigen.
Abnehmende Fahrleistungen trüben die Stimmung
Also alles im positiven Bereich? Nun ja, nicht wirklich. Auf seiner Jahrespressekonferenz 2022 vermeldete der Zentralverband Deutsches Kfz-Gewerbe ein weiteres Umsatzminus: „Im Geschäftsfeld Service und Reparatur brachte das Jahr 2021 einen Umsatzrückgang von minus 5,8 Prozent (…) im Vergleich zu 2020. Die Quote der durchschnittlichen Werkstattauslastung lag bei 80 Prozent und damit um einen Prozentpunkt über dem Niveau von 2020, jedoch immer noch um 3 Prozentpunkte unter dem Wert des Vorkrisenjahres 2019.“ Das Problem seien weiterhin vor allem Corona-bedingte zurückgehende Jahresfahrleistungen, die das Service- und Wartungspotenzial nicht wirklich erhöhen.
Immerhin: Was den Chipmangel angeht, erwarten Experten 2022 keine echte Trendwende. Gebrauchtwagen werden sich also weiterhin größter Beliebtheit erfreuen.