Unfallforscher der Axa Versicherung haben bei eigenen Crashtests das Verhalten von Elektroautos bei schweren Unfällen überprüft. Die Crashtests schlugen hohe Wellen. Kritisiert wurden unter anderem der Versuchsaufbau und reißerisch vorgetragene Ergebnisse. Wir haben uns angesehen, was da los war.
Im Rahmen von zwei Crashtests der Axa Schweiz wurden Schwächen und Risiken durch E-Autos analysiert. Getestet wurde dabei auch ein Tesla. Eine der Erkenntnisse: Die größten Unfallrisiken bei E-Autos entstehen nicht beim Verringern der Geschwindigkeit, sondern beim Beschleunigen. Michael Pfäffli, Leiter der Unfallforschung AXA Schweiz, erklärt: „Die meisten Elektroautos, insbesondere die leistungsstarken, haben ein sehr hohes Drehmoment, welches sich beim Antippen des Strompedals unmittelbar bemerkbar macht. Es kann daher zu einer ungewollten, ruckartigen Beschleunigung kommen, welche der Fahrer oder die Fahrerin nicht mehr kontrollieren kann“. Experten bezeichnen das als „Overtapping-Effekt“.
Harte Kritik mit Folgen
Damit beschäftigte sich der erste Crash mit einem Tesla. Das konstruierte Szenario: Der oder die Tesla-Fahrer*in tippt nur kurz auf das Strompedal und verliert durch die starke Beschleunigung die Kontrolle über das Fahrzeug. In der Folge fährt das Fahrzeug mit überhöhter Geschwindigkeit auf einen Kreisverkehr zu, kann nicht mehr bremsen, überfährt diesen und überschlägt sich. Im von der Versicherung veröffentlichten Video ist außerdem zu sehen, wie das Fahrzeug nach wenigen Sekunden anfängt zu brennen.
Nun können sich die oder geneigten Betrachtenden fragen, wie oft dieses Szenario in der Realität tatsächlich passieren möge. Davon unbeirrt stellt die Versicherung fest: „Eindrucksvolle Crashs zeigen auf: Elektroautos verursachen mehr Kollisionen als herkömmliche Verbrenner, insbesondere die leistungsstarken Fahrzeuge durch ruckartige Beschleunigung.“
Batteriebrand ohne Batterien…
Vor allem dem unabhängigen Tesla-Online-Magazin Teslamag.de stieß das sauer auf. Kritisiert wurden unter anderem der offenbar inszenierte Fahrzeugbrand und einige sehr offensive Aussagen, die eher für Verwirrung denn für Aufklärung sorgen. Die Axa ruderte in einem offiziellen Statement zur Kritik weitgehend zurück: Aus Sicherheitsgründen seien im Testauto gar keine Batteriezellen eingesetzt gewesen, der entstandene Brand kontrolliert ausgelöst. Und weiter: „Auch verursachte der Crashtest mit einem Modell der Marke Tesla am Unterboden des Autos keine derartigen Schäden, dass ein Batteriebrand wahrscheinlich gewesen wäre, wie es die Bilder suggerierten. Der durchgeführte Test bestätigte damit die Hypothese für dieses Unfallszenario nicht.“
Alles nur inszeniert und an der Realität vorbei?
Kritisiert wurden auch die von der Axa aufgeführten Statistiken. Der Blick in die Unfallstatistiken der AXA Schweiz zeigt, dass Fahrer*innen von Elektroautos 50 Prozent mehr Kollisionen mit Schäden am eigenen Fahrzeug verursachen als jene von herkömmlichen Verbrennern. Die Hypothese: Der sogenannte Overtapping-Effekt, der zentrales Element des ersten Crashtests war, könne die Ursache für die erhöhte Schadenfrequenz bei leistungsstarken Elektroautos sein. Das Problem: In Deutschland ist dieses Phänomen nicht zu beobachten. „E-Autos erzeugen zwar hierzulande nicht mehr Unfälle, räumt Nils Reich, Vorstandsmitglied bei der AXA in Deutschland, ein. Doch könnten sie oftmals zu teureren Einzelschäden führen.
Festzustellen bleibt: Der vermeintlich „eindrucksvolle“ Crash – alles nur inszeniert und offenbar weitgehend an der Realität vorbei.
Und nun zu den echten Schwächen von E-Autos
Nachvollziehbar allerdings bleibt, dass der Unterboden von E-Autos eine Schwachstelle darstellt. Untersuchungen der AXA Unfallforscher hätten gezeigt, so das Unternehmen in einer Pressemitteilung, dass Unterbodenbeschädigungen beim Überfahren von Straßeninseln, Steinen oder eben Kreisverkehren auftreten können. Die Antriebsbatterie sei zwar durch zusätzliche Versteifungen der Karosserie vorne, hinten und seitlich sehr gut geschützt, weise aber eine Schwachstelle auf. „Der Unterboden scheint die Achillesferse von Elektroautos zu sein, weil die Batterie dort nicht zusätzlich geschützt ist“, warnt Michael Pfäffli. Fahrer*innen von E-Autos sollten „Straßeninseln, Steine oder Kreisel besonders vorsichtig befahren, um eine Beschädigung des Unterbodens zu verhindern“.
Der zweite Crash befasste sich mit dem hohen Gewicht von Elektroautos und ihrem Einfluss auf den Ausgang von Unfällen. In dem Test prallten zwei VW Golf bei einer Geschwindigkeit von jeweils 50 km/h aufeinander: Ein Golf 7 mit Verbrennungsmotor und ein typengleiches Modell mit Elektroantrieb. Der große Unterschied: Der E-Golf ist dank seines Akkupakets gewaltige 400 Kilogramm schwerer als der Verbrenner-Golf. „Der 1250 Kilogramm schwere Verbrenner-Golf ist bei diesem Crash einer deutlich höheren Belastung ausgesetzt und erleidet folglich einen sichtbar größeren Blechschaden als sein elektrisches Pendant“, heißt es in der Zusammenfassung. Zwar sei das leichtere Fahrzeug im Nachteil, weil die Energiebelastung größer ist als beim schweren Fahrzeug. Anders sehe es jedoch bei Personenschäden aus: „Die wirkungsvollen Sicherheitssysteme von modernen Fahrzeugen können die Effekte der Massendifferenz in den meisten Fällen kompensieren. Im gezeigten Crash bleiben die beiden Fahrgastzellen deshalb intakt. Die Insassen beider Fahrzeuge sind somit gut geschützt und müssen normalerweise mit keinen Verletzungen rechnen.“